Der Roman von F. Scott Fitzgerald entführt in das glamouröse New York der Goldenen Zwanziger, die Welt des großen Jay Gatsby und dessen ausufernden Tanz- und Champagnerpartys! Und wer an den Abenden der Aufführung vom 8.-10.06 das Foyer des MEG betrat, einige Kenner und Eingeweihte des Stücks sogar in stilechter Garderobe der Zwanziger Jahre entsprechend gekleidet, fand sich als Teil der illustren Festgesellschaft auf dem Anwesen des großen Gatsby inmitten seiner legendären Parties der New Yorker High Society wieder, wo Reichtum und gesellschaftlicher Status das Leben bestimmen, zumindest für all diejenigen die es sich leisten können ein Teil dieser Schicht zu sein.
...Fetzige Musik aus allen Richtungen, Schauspieler in ausgelassener Stimmung als tanzende Pärchen in Feierlaune, eingebettet in eine Kulisse ganz im Charme und Glanz der Zwanziger Jahre mit all ihrem glamourösen Pomp. Schon allein die Gesangs- und Tanzeinlagen stellten damit von Beginn an etwas Außergewöhnliches bei dieser Theateraufführung des „Großen Gatsby“ dar. Der Zuschauer konnte eintauchen in die Welt von Chick, ausufernder Dekadenz und atemlosen Amüsement, und so das damit verbundene Lebensgefühl nachempfinden. Denn dieser Effekt der Auflösung einer klassischen Trennung von Bühne und Zuschauerraum, Schauspielern und Publikum, basiert auf dem Konzept des immersiven Theaters, das sich als Begriff aus dem Lateinischen (immergere: [unter]tauchen) herleitet und Teil der Inszenierung des Stücks und der Herausforderung ist, der sich Frau Kreckel mit ihrer Theater-AG stellte.
Damit ist das Theaterstück, das sich das Ensemble der Theater-AG selbst aus einer Vielzahl von Alternativen auswählte, auch aus sozialkritischer Sicht in der Gegenwart hochaktuell, denn der große Gatsby (herausragend gespielt von Tammo Werner) versucht seine verlorene Liebe Daisy (äußert charmant interpretiert von Lina Al-Shomali) mit Geld und materiellen Dingen zu beeindrucken. Ein Verhalten, das sich in Zeiten von sozialen Medien und schnelllebigen Entertainment durchaus wiederfinden lässt, so dass man nicht umhin kommt, Parallelen zur heutigen Zeit zu entdecken.
Wer zu Beginn wie gewöhnlich zur Bühne blickte, der wurde überrascht: Denn anders als sonst üblich fand das Stück inmitten der Aula und nicht auf der Bühne statt. So saß das Publikum kreisrund um die Schauspieler herum, sogar auch auf der Bühne sitzend. Das hatte zur Folge, dass das Publikum eingebunden wurde in die überwiegend lustig-lockeren Dialoge des Stücks, das umrahmt war von einem strikten Bühnenbild, welches das Schauspiel als Kulisse lediglich unterstütze. Diese bestand hauptsächlich aus aufwendig hergestellten Treppen, auf denen die Schauspieler auf und abgingen, und die das Schauspiel und die einzelnen Szenen voll in den Fokus des Betrachters rücken ließen. Das funktional eingesetzte Auf- und Abgehen bestimmter Figuren auf den Treppen konnte dabei als Interpretation der sozialen Schichtunterschiede gesehen werden. Harmonisch dazu passten auch die farblich abgestimmten Kostüme.
Mastermind hinter dieser dieser gestalterischen Idee und ihrer Umsetzung ist Ulrike Hagenkort, die das Bühnenbild imposant durch 3 von der Theater-AG selbst aus Gläser hergestellten Riesenkronleuchter komplettierte, die den Glanz und die schillernde Atmosphäre widerspiegelten. Außergewöhnlich sind Spiel und Bühnenbild nicht nur für den Zuschauer, der damit ganz nah am Geschehen war. Außergewöhnlich war auch die Herausforderung dieser Umsetzung und der damit verbundenen intensiven Vorbereitung für die Schauspieler. Aufgrund dieser Form der Inszenierung stellten sie sich dem Publikum aus vielen Perspektiven, anstatt wie sonst üblich, in gewohnter Distanz zum Publikum oben auf der Bühne. Beispielhaft sind hier Wibke Wente (als Tom) und Timur Kasachkov zu nennen, die aufgrund der intensiven Vorbereitung mit souveräner Interaktion und doppelbödigen Dialogen glänzten sowie die Tanzpaare des Ensembles und ihre Performance, die durch den Charleston Tanzkurs bei Daniel Reichling (Tanzlehrer beim BTV) das Tanzparkett voll ausfüllten und zum Leben erweckten.
Auch wenn das Stück nach Amüsement und einer großen Sause klingt, so musste sich der Zuschauer neben all der Leichtigkeit einem katastrophalen Ende des großen Gatsby stellen. Denn jede Party hat ihren Preis und findet irgendwann ihr Ende, welches an dieser Stelle aber nicht verraten wird.